Großes Echo auf Gondershausener Fund

Archäologie: Weltweites Interesse an der altsteinzeitlichen Felsgravur – Frage des Schutzes steht im Mittelpunkt

Von Volker Boch (Chefreporter  Rhein-Hunsrück-Zeitung)

 Gondershausen. Die Felsgravur von Gondershausen sorgt für ein großes internationales Echo. Nachdem der Fund der altsteinzeitlichen Zeichnung am Dienstag öffentlich gemacht wurde, haben Medien weltweit über den Fall berichtet, in der Zukunft werden sich viele Forscher eingehend mit diesem Fund beschäftigen wollen. Zwei Tage nach dem Medientermin verdeutlicht sich, dass dies kein „normaler“ Fund der Archäologie ist, sondern etwas, dass die Geschichtsschreibung weit über den Hunsrück hinaus beeinflussen und verändern wird.

 Eintrag in die Schulbücher

„Das muss möglichst schnell in die Schulbücher“, sagte Wolfgang Welker vom regionalen Archäologieverein Arrata, während er Kulturministerin Doris Ahnen und den Vertretern aus Politik und Medien am Fundort erklären wollte, welche Bedeutung die Felszeichnung von Gondershausen aus seiner Sicht hat. „Dies bringt ganz neue Erkenntnisse im Bereich der altsteinzeitlichen Forschung.“

Welker ließ sich nicht zu Spekulationen hinreißen, welche geschichtlichen Hintergründe rund um die Gravur bestehen könnten, dafür bewegt sich der Archäologie viel zu sehr auf dem Boden der Tatsachen und Fakten. Selbstredend schießen nach solchen Funden aber immer wieder Diskussionen ins Kraut, was sich vor Tausenden Jahren hier einmal abgespielt haben könnte. Immerhin wird das Alter der Zeichnung auf 20 000 bis 25 000 Jahre geschätzt und damit in eine Zeit hineindatiert, aus der nicht nur in Deutschland keinerlei Zeugnisse existieren.

Für Welker ist klar, dass die Geschichtsschreibung neu formuliert werden muss. „Es ist wichtig für unsere Schulkinder, dass sie wissen, dass es hier im Hunsrück vor etwa 25 000 Jahren etwas gegeben hat“, sagte Welker. Der Chefarchäologe des Landes, Dr. Dr. Axel von Berg, schloss sich diesem Gedanken an: „Es gibt nur ganz wenige Hinweise aus dieser Zeit – wir bewegen uns auf archäologischem Neuland.“

Ein Siedlungsplatz an der Fundstelle wird ausgeschlossen, aber es sind viele Erkenntnisse, die sich für den historisch interessierten Laien an diesem Tag der Präsentation offenbaren. Dass es hier einst einen römischen Steinbruch gegeben haben muss, aus dem Schiefer für den Villenbau in der Umgebung geholt wurde, erschließt sich anhand der wellenförmigen Bodenstruktur und letztlich auch an der klaren Abbruchkante des Gravurfelsens – aber erkennen lässt’s sich es eben erst, wenn es Experten wie Welker oder von Berg erläutern.

Umso mehr fasziniert die Fachleute, dass Jürgen Weinheimer aus Gondershausen die Gravur überhaupt entdeckt hat. „Sie können gar nicht so viel erkennen“, sagte Welker vor den neugierigen Journalisten. Er lächelte kurz und sprach dann weiter: „Das finde ich auch gar nicht so schlecht.“ Je nach Sonneneinstrahlung lassen sich nur Ritzen im Fels erkennen, die kaum jemand als Gravur aus der Altsteinzeit interpretieren würde, sondern vielmehr als Zufallsprodukte der Verwitterung. Dennoch hatte Jürgen Weinheimer vor 22 Jahren den richtigen Riecher, als er die Gravur erstmals entdeckte.

Zwei Entdecker aus dem Hunsrück

„Dass es mehrere Pferde sind, habe ich schnell erkannt“, sagt der 53-Jährige, der bei einer Wanderung mit seinem Hund Gustav einst die sagenhafte Entdeckung machte. Der leidenschaftliche Wanderer muss früh gespürt haben, dass es sich bei dem Fund um etwas ganz Besonderes handelte. Es war wohl eines jener Gefühle, die einen immer wieder einmal im Leben begleiten, jener Eindruck, dass es gerade einen ganz besonderen und nicht wiederholbaren Moment gibt. „Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich das erzählen soll“, sagt Weinheimer.

Anfangs kannten das Geheimnis nur Weinheimer selbst und sein treuer Begleiter Gustav, dann ein paar enge Freunde, denen der Maurermeister aus Gondershausen seine Entdeckung anvertraute. Mit den Jahren lernte er die engagierte und faktenbasierende Arbeit des Regionalvereins Arrata kennen und schätzen und entschloss sich schließlich, diesem sein Geheimnis anzuvertrauen.

„Ich finde gut, was Arrata macht“, erklärt Weinheimer. Bei der Vorstellung des Fundes sitzt er mit seiner Lebensgefährtin Isabell Fey und Hund Marie ein paar Meter weit vom Felsen und den neugierigen Neu-Entdeckern auf dem Boden und verfolgt die Szenerie. Er könnte den Termin nutzen, um sich ins Rampenlicht zu schieben, aber der Finder hält sich zurück. Weinheimer geht es nicht um seine Person, es geht ihm darum, dass die Gravur für die Nachwelt erhalten und gewürdigt wird – und die Wissenschaft durch den Fund neue Erkenntnisse gewinnen kann.

Behutsam hat sich erst Weinheimer selbst der Gravur genähert, dann Arrata und auch der geschichtsbeflissene Gondershausener Bürger Arno Quirin. Mit Pauspapier haben die Laien die Gravuren vorsichtig nachgezeichnet, genauso wie die Archäologen in den vergangenen zwei Jahren vor Ort immer wieder Analysen vorgenommen haben. Allen Beteiligten war und ist es das größte Anliegen, die Zeichnung und den Schieferfelsen zu schützen.

„Wir müssen eine Diskussion darüber führen, wie wir den Fund sichern und schützen können“, sind sich Welker und von Berg einig. Dies hat letztlich auch etwas damit zu, welche finanziellen Mittel bestehen, um den Fund zu bewahren. Ministerin Ahnen konnte zu dieser Frage noch keine konkrete Aussage machen, sicher ist nur, dass sie bald beantwortet werden muss.

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom Freitag, 4. Juli 2014, Seite 17

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